Trotz Schulpflicht: wenig Plätze für Kinder aus dem Autismus-Spektrum
Sucht man in Berlin für sein Kind mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum einen Schulplatz, findet man zwei Optionen: sonderpädagogische Förderzentren und inklusive Schwerpunktschulen.
Schultypen für Kinder mit Förderbedarf
Aktuell gibt es in Berlin 54 Schulen mit sonderpädagogischem Förderschwerpunkt, sogenannte „Förderzentren/Förderschulen“. Mehr als 9.000 Schüler:innen werden dort beschult. Zugang zu diesen Schulen haben ausschließlich Kinder mit Förderbedarf. Die Förderschwerpunkte sind z.B. „Autismus“, „Körperliche und motorische Entwicklung“, „Sehen“, „Hören und Kommunikation“, „Sprache“, „Emotionale und soziale Entwicklung“ und „Lernen“. Unterrichtet wird in kleinen Klassen mit im besten Fall sechs, max. 13 Schüler:innen.
Zusätzlich existieren 21 „Inklusive Schwerpunktschulen“ in Berlin, also allgemeinbildende Schulen, die mit erweiterter Ausstattung Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf aufnehmen können. Hier lernen Kinder und Jugendliche mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf in gemeinsamen Klassen. Zu ihrem Förderspektrum gehört u.a. auch „Autismus“. Es ist nicht bekannt, wie viele Schulplätze hier für Kinder mit Förderbedarf tatsächlich zur Verfügung stehen.
Klingt erstmal gut, oder? Aber wie viele Plätze gibt es tatsächlich für Kinder aus dem Autismus-Spektrum und wie bekommt man sie? Dass das überhaupt nicht einfach ist, zeigt die verzweifelte Suche einer Mutter. Sie hat dafür sogar ihren Job aufgeben müssen und kämpft nun nicht nur um einen Platz in einer Grundschule, sondern sogar um die generelle Beschulung ihres siebenjährigen Sohnes mit neurodivergenten Besonderheiten.
Kein geeigneter Schulplatz – was dann?
Zum diesjährigen Weltautismustag am 2.4.2025 veröffentlichte der „Tagesspiegel“ einen Artikel über die verzweifelte und vergebliche Suche von Eltern autistischer Kinder nach einem geeigneten Schulplatz in Berlin. Hunderte Kinder im Autismus-Spektrum werden hier nicht oder nur verkürzt beschult. Es sind (meist) Mütter, die ihre Berufstätigkeit aufgeben müssen, um ihr Kind zu betreuen, das eigentlich verlässlich mit sechs Jahren in die eine Grundschule eingeschult werden sollte – wie jedes andere Kind auch. Aber so einfach ist es leider nicht.
Arbeiten und Kind, das läuft nicht
Oft war es gerade die Berufstätigkeit, die für diese engagierten Mütter der letzte Anker in der „normalen Welt“ war und ihnen mental als Ausgleich diente für all die Sorgen und Zukunftsängste. Dem Job nachzugehen, war für mich mitunter das, was für andere der Feierabend ist. Für „Erholsamen Urlaub!“ oder „Schönen Feierabend!“ hatte ich nur ein müdes Lächeln übrig und freute mich, am nächsten Tag wieder da zu sein. Auch ich musste letztes Jahr nach 20 Jahren im Unternehmen meinen geliebten Job loslassen, obwohl ich nicht wollte. Ich habe getrauert und tue es immer noch. Dass Kinder wie mein Sohn in Berlin keinen geeigneten Schulplatz finden oder nur verkürzt beschult werden, ist nicht nur skandalös, sondern harte Realität. Meine Realität.
Der schwierige Übergang von Kita zu Schule
Mit Glück konnte ich im Sommer letzten Jahres – nachdem mein Sohn in seiner alten Kita nicht für ein Rückstellungsjahr bleiben konnte – für wenige Stunden am Tag eine neue Kita finden. Nach unzähligen Absagen war das wie ein Lottogewinn, gleichzeitig aber auch ein großer Testballon. Denn wie mein Sohn inmitten neurotypischer Kinder zurechtkommen würde, oder ob man ihn nach einiger Zeit wegen seines herausfordernden Verhaltens wieder rauswerfen würde, war nicht kalkulierbar.
Ernüchternde Erfahrungen mit Schulamt und Schulen
Als ich den zuständigen Mitarbeiter der Schulaufsicht damals anrief, um an die schriftliche Bestätigung der Rückstellung zu erinnern, fragte der mich: „Oder sollen wir gleich Entbindung von der Schulpflicht machen?“ Weil eben dieser Mann auch dieses Jahr die einzuschulenden Kinder auf die Namenslisten der Förderschulen verteilt, musste ich freundlich „Nein“ sagen, statt ihn anzuschreien, ob er den Verstand verloren hat und sein Job als Schulaufsicht nicht der sei, die Bildung aller Kinder und die Erfüllung der Schulpflicht abzusichern.
Dieses Jahr rühre ich wieder die Werbetrommel für meinen Jungen an den entsprechenden Förderschulen. Ich bringe persönlich Unterlagen vorbei, um in Erinnerung zu bleiben und versuche, meinen Sohn in die Schulen „reinzuquatschen“. Dabei lege ich alle Herausforderungen offen, die seine Beschulung für die Schulen mit sich bringt. Überall mehr Anmeldungen als Schulplätze. Zu viele autistische Kinder, zu wenige geeignete Schulplätze. Und kein Ende in Sicht.
Hoffentlich fragt mich niemand, was ich denn Schönes tagsüber mache, jetzt, wo ich nicht mehr arbeite…
Duale Autismus- und Familientherapie und Elterntreff bei Zephir gGmbH
Zephir gGmbH bietet für Kinder im Autismus-Spektrum und ihre Eltern/Angehörigen eine „Duale Autismus- und Familientherapie“. Alle sechs bis acht Wochen veranstalten wir außerdem einen Elterntreff, bei dem sich Eltern/Angehörige von Kindern im Autismus-Spektrum untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen können. Sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.
Ansprechpartnerin:
Miriam Vogt (Bereichsleitung), Tel.: 0159 – 06 14 52 81 oder vogt@zephir-ggmbh.de
Unsere Arbeit wird gefördert durch die Berliner Jugendämter.