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Tischgespräche von Mutter und Sohn

Grafik "Autismus er-leben"

Schweigen ist manchmal Gold

Kommunikation dient dem Austausch, der Information, sie ist Basis der zwischenmenschlichen Verständigung überhaupt. Wir nutzen dabei Sprache, Mimik und Gesten. Wir können neben Sachinformationen auch Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Gefühle wie Empathie und Zuwendung transportieren. Dies alles geschieht verbal und nonverbal, bewusst oder unbewusst. Und immer gestalten wir damit Beziehungen.

Kindliche Kommunikationsfähigkeit entwickelt sich

Im Laufe der kindlichen Entwicklung verändern sich auch die kommunikativen Fähigkeiten. Die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten werden komplexer. Man lernt das Zuhören, das Eingehen auf das Gesagte und das Verhalten in unterschiedlichen Situationen, den Umgang miteinander (soziale Kompetenz) und der Wortschatz wächst. Missverständnisse und Konflikte lassen sich nun besser vermeiden, eigene Wünsche und Bedürfnisse besser zum Ausdruck bringen.

Andere Wahrnehmung, andere Kommunikation

Doch was geschieht, wenn Wahrnehmung, Interessen und Bedürfnisse der Gesprächspartner:in einer ganz anderen, eigenen Logik folgen? Wenn der Wunsch nach Austausch viel geringer ist und man dadurch das Gefühl hat, den anderen nicht zu erreichen, nicht miteinander ins Gespräch zu kommen?

Menschen im Autismus-Spektrum kommunizieren anders, als viele es gewohnt sind. Es kann sein, dass sie sich gerade nicht mitteilen möchten oder können. Vielleicht schweigen sie, weil sie mit der Verarbeitung einer Vielzahl von Eindrücken beschäftigt sind oder die Kommunikation in diesem Moment einfach zu anstrengend ist. Es gibt viele Gründe… Eine Mutter notierte für uns einige ihrer speziellen Gesprächsmomente mit ihrem neurodivergenten Sohn.

K I W I S

Ich habe meinen Lieblingsring verloren. „Warum weinst du Mama, der nützte doch nichts?“, Eric, 6 Jahre.

„Wozu haben wir eine Katze, die steht nur rum?“, Eric, 11 Jahre.

Jetzt ist Eric 16, wir sind heute nur zu zweit und essen in der Küche. „Eric, warum trägst du zwei Socken übereinander?“ Er schaut mich an, sein Gesicht ist kritisch verzerrt, die eine Augenbraue hochgezogen. „Warum wohl?“

Ich sage nichts. Warum bekomme ich auf zehn gestellte Fragen höchstens zwei befriedigende Antworten? Meist antwortet mir Eric mit: „Mmh… warum!? Das weißt du aber schon selber, oder? Denk mal darüber nach!“

Ist das die Pubertät? Ich gebe nicht auf und doziere los: „Weißt du Eric, ich habe den Eindruck, dass du nur Fragen beantwortest, die für dich Sinn machen. Aber Kommunikation heißt nicht unbedingt, nur nützliche Informationen auszutauschen. Möglicherweise kenne ich die Antwort schon. Aber in diesem Fall dient die Kommunikation dazu, dass ich dir Interesse zeige, dass ich einfach mit dir einen Kontakt aufnehmen möchte und so ein schönes Gespräch entstehen kann. Da ist der Inhalt völlig überflüssig, weißt du? Es geht wirklich nur um den menschlichen Kontakt.“

Er schaut mich wortlos an, schließlich sind wir noch beim Essen und er hat es überhaupt nicht gerne, dass man beim Essen miteinander spricht. In meiner Heimat wäre das natürlich eine Sünde! Denn die Mahlzeiten sind die schönsten Momente des Tages, wo sich die Familie um den Tisch zusammenfindet und alles Mögliche austauscht und bespricht. Aber gut, hier sind wir ja nicht in Italien und mein Sohn hat spezielle Bedürfnisse.

So schweige ich halt fünf Minuten (gefühlte 20), esse weiter und schaue dabei höchst diszipliniert auf meinen Teller. Nachdem ich alles aufgegessen habe (Eric noch nicht), wird es mir langweilig und ich lasse meinen Blick in der kleinen Küche schweifen. Er verweilt schließlich bei den Obstschalen.

„Eric, du…“ und mit dem Kinn zeige ich auf die Ecke hinter ihm „… die Kiwis in der roten Schale sind die weichen, die sind schon von letzter Woche. Die anderen da hinten, sind noch hart. Die habe ich erst heute gekauft und in die Schale dahinter gestellt. So habe ich sie extra getrennt, in unterschiedlichen Schalen, hörst du?“

Er dreht sich um und schaut sich die beiden Schalen an. Dann schaut er mich an. Sein Ausdruck ist offen und ernst. Und dann sagt er: „Langsam kommen wir ins Gespräch“.

Duale Autismus- und Familientherapie und Elterntreff bei Zephir gGmbH

Zephir gGmbH bietet für Kinder im Autismus-Spektrum und ihre Eltern/Angehörigen eine „Duale Autismus- und Familientherapie“. Alle sechs bis acht Wochen veranstalten wir außerdem einen Elterntreff, bei dem sich Eltern/Angehörige von Kindern im Autismus-Spektrum untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen können. Sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.

Ansprechpartnerin:
Miriam Vogt (Bereichsleitung), Tel.: 0159 – 06 14 52 81 oder vogt@zephir-ggmbh.de

Unsere Arbeit wird gefördert durch die Berliner Jugendämter.

Das Jugendamt. Unterstützung, die ankommt.